Im Kontext der Kunst wird heute von vielem gesprochen, aber schon lange nicht mehr von Schönheit. Seit der POP ART kann alles Kunst werden, in den 1960er und 70er Jahren wurde gar die Formel von den „nicht mehr schönen Künsten“ geprägt. Schönheit ist gleichsam zu einem Tabu geworden. Wie kann man hier & jetzt ‚Schönheit‘ bestimmen, erkennen… jenseits von Gefälligkeit oder allgemeinen Floskeln?
Wie wird ,Schönheit‘ definiert in Zeiten, in denen Wirklichkeit(en), Körper, Oberflächen nicht nur digital ständig ‚aufgehübscht‘ bzw. ‚optimiert‘ werden?
Wer traut sich heute noch zu sagen, man habe etwas ausgestellt, erworben, gesammelt, weil es ‚schön‘ ist? Ein Kunstwerk ist ‚neu‘, ‚anders‘, ‚bedeutend‘, vielleicht sogar ‚postkolonial‘? Aber schön?
Die von Anne-Marie Bonnet kuratierte Ausstellung „Schönheit !?“ ist eine Einladung zur Selbstbefragung und zum Austausch.
Lesen Sie hier den Text zur Ausstellung von Anne-Marie Bonnet.
Galerie Gisela Clement
Schönheit !?
Schönheit ist Rätsel, Anreiz zur Suche, Ansporn, sensuelle und intellektuelle
Herausforderung. Sie kann eine Versuchung, eine Falle sein, und ist doch der Prüfstein
zwischen Sein und Schein. Sieht, fühlt, weiß oder kennt man sie? Sie kann gespürt,
gehört, gelebt werden und wird vielfach instrumentalisiert. Spieglein, Spieglein an der
Wand, sag mir: Was ist Schönheit in der Kunst?
„La possibilité du plaisir peut-être un commencement de beauté.“ (Die Möglichkeit des
Vergnügens ist vielleicht ein Anfang von Schönheit.) sagte Marcel Proust. Die Schönheit
als ein Versprechen: Wer verspricht sich was davon? Man begegnet ihr im Alltag und in
der Natur. Wann und wie wird man ihrer gewahr? Wann lässt man sie zu, lässt sich auf
sie ein? Wie viele Wege gibt es zur Schönheit? Ist es nicht eine Eigenschaft guter Kunst,
unsere Sensitivität und Sensibilität neu zu kartographieren, neue Territorien des
Denkens zu öffnen? Jean de Loisy, Kurator der Ausstellung ‚Schönheit‘ (Avignon,
2000): „La beauté est d’autant plus intéressante, plus vibrante et plus insolente, qu‘elle
élargit notre champ des sensiblité et qu’elle ouvre des territoires nouveaux“ (Die
Schönheit ist umso interessanter, vibrierender und unverschämter, je mehr sie das Feld
unseres Empfindens erweitert und neue Gebiete eröffnet.)
Im Alltag (Werbung, Kosmetik) ist das Konzept ‚Schönheit‘ zugleich instrumentell
aufgeladen und entleert. In der Welt der Kunst ist es seit dem 20. Jahrhundert, da zu
klassisch, zu idealisiert, zu normiert, gleichsam tabu und letztlich eurozentrisch
determiniert. André Breton sagte: „La beauté sera convulsive ou ne sera pas!“ (Die
Schönheit wird konvulsiv sein oder nicht sein!) und traute sich noch, mit ihr zu
argumentieren, allerdings nur, um sie gegen die Klischees akademischer Erwartungen
von Idealität neu zu definieren.
Die Ausstellung ‚Schönheit!?‘ wagt nun doch erste künstlerische Anlässe, sich darüber
auszutauschen, ob und, wenn ja, wie Bildende Kunst Schönheit zu verhandeln vermag.
Text von Anne-Marie Bonnet